Es ist merkwürdig mit den Etüden: Manchmal habe ich eine bestimmte Idee und baue die gespendeten Wörter ein, ohne dass sie mich vorher zu der Idee inspiriert hatten. Die Idee war zuerst da, und die Wörter müssen dann rein passen, irgendwie. Das gelingt mir mal besser, mal schlechter, mal auch gar nicht, dann wird die Idee fallen gelassen.
Es gibt aber auch Wortspenden, die die Geschichte quasi mit bringen.
Eine Buddelkiste ist ein Sandkasten für Kinder, jedenfalls ist mir das Wort in diesem Sinne aus meiner eigenen Kindheit in Berlin bekannt. Sofort war klar, eine Berlin-Geschichte muss es sein. Sie spielt nicht in der Zeit meiner eigenen Kindheit, denn die beiden anderen gespendeten Wörter nahmen meine Fantasie an die Hand und führten anderswo hin.
Alle Infos zu den Etüden, den Sonderprojekten, etc, gibt es bei Christiane, die auch die Idee hatte zu dieser Sammlung von Lieblingsetüden, danke nochmal hierfür 🙂
„Jeht vonne Kloppstange runter, wie oft soll ick det noch saren“, erklang es bedrohlich über den Hof, und unter grossem Gekreische stoben die Kinder in alle Richtungen auseinander.
Frau Schulz genoss den Respekt, der allen Berliner Hauswartsfrauen gebührte, und Klopfstangenturnen duldete sie nicht.
Auch wenn heute niemand Teppiche ausklopfte, es waren immer noch Klopfstangen und keine Turnstangen.
„Wozu ha‘ ick die Jören eijentlich die Buddelkiste jebaut, wenn se doch bloss da spielen wo se nich sollen“, lachte der alte Krause und zwinkerte Frau Schulz gemütlich zu, während er sich auf der Treppe zum Kohlenkeller an ihr vorbei schob.
„Na, ick würd mir in die Buddelkiste ooch nich setzen, hab jestern wieder jesehen, wie Schmitt’s ihre Katze da rin jekackt hat, mischte sich Frau Anders ein, die eben über den Hof schwebte, wie jeden Sonntag nachmittag hoch fein gemacht für ihr „Damenkränzchen“, wie sie es nannte.
„So uffjebrezelt jeht man doch nich konditorn“, fand Frau Schulz und schüttelte missbilligend den Kopf.
„Det jeht ja nu keenen wat an, Jnädigste, wo die Dame sich verlustiert“, meinte Krause und nichtsdestotrotz begannen sie alsogleich, genüsslich darüber zu schwadronieren, wo Frau Anders womöglich die Hüften und das Tanzbein schwingen würde.
Krause vermutete Irmis Ballhaus, aber Frau Schulz meinte, dafür sei nicht mal die Anders frivol genug, und sie lachten wiehernd, dass man es im ganzen Haus hörte.
So verlief dieser Sonntag wie so viele andere.
Fünf Tage später begann der Zweite Weltkrieg.
Wow. Der letzte Satz.
Damit sagst du alles!
LG
Sabienes
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Wie dergl. Nur nicht so lang. Aber das Erschrecken am Ende, das ist dir wirklich gut gelungen.
Liebe Grüße, wie schön, dass du noch weiter gekramt hast!
Liebe Grüße
Christiane 😁😺👍
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Herrlich diese Sprachweise.
Da hab ich direkt die graue Häuserreihe im Kopf.
Mit älteren Frauen in Kitteln und den Mann in Unterhemd, Kordhose und Hosenträgern. Herrlich…, bis zum letzten Satz….
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Danke schön 😉 ich selbst berliner
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Habe ich oben gelesen. 😉
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Da hab ich zu schnell auf Senden geklickt.
Also nochmal:
Ich berliner selbst ziemlich stark, wenn man mich lässt, kann aber auch von jetzt auf sofort auf Hochdeutsch umschalten (ich habe gehört, du bist aus Berlin? Hört man gar nicht). Es hat sehr viel Spaß gemacht, mal nach Herzenslust berlinerisch zu bloggen 😉
Und die Hinterhof Atmosphäre kenne ich auch persönlich sehr gut. Inklusive „Kloppstange“ und Hauswartsfrau. Vor der bzw dem Hauswart hatten wir wirklich Respekt.
So viel anders war das also damals wahrscheinlich gar nicht. Bis auf den Beginn des Krieges…..
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Mir kam auch einiges bekannt vor. Auch wenn ich Ruhrpottler bin.
In meiner Kindheit war der Respekt noch Allgegenwärtig.
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Die ist mir danach monatelang wegen dem letzten Satz im Gedächtnis geblieben damals. Erst zeichnest du dieses Bild und gerade wenn man es richtig sieht und die Schnauze dazu im Kopf hat – Peng! Das hat mir damals schon gut gefallen, weil man damit nicht gerechnet hat.
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Monatelang? Du übertreibst bestimmt. Aber es freut mich trotzdem sehr 😊
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Nein, ich übertreibe nicht.
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Erinnert mich ein an Zille. Sehr schöne Milieu-Beschreibung. Und wahrscheinlich bitteres Ende.
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