Diese Etüde ist ein klein wenig anders. Quasi eine E-two-de 😉 . Bloggerkollegin dergl und ich, das Wortgerinnsel, beschlossen spontan, uns an einer gemeinsamen Etüde zu versuchen. Nachdem ich mal wieder, in den Kommentaren der aktuellen Schreibeinladung, herum jammerte, dass mir immer nichts Rechtes einfallen will, schrieb dergl „Ich helf dir, wir machen ne Ruhrpottgeschichte zusammen“ Gesagt, getan – ja, denkste, so leicht war es nämlich gar nicht, dafür spannend und inspirierend. Und Spass hat’s auch gemacht 🙂
Hier ist das Ergebnis unseres Schaffens:
„Alte Bergmannskiste abzugeben. Guter Zustand, Preis VB“
Das gibt’s doch nicht, dachte Karin. Das Namensschild sah verdorben aus, aber trotzdem….
„Sie haben da anscheinend eine Gezähekiste“ schrieb sie “ Könnte ich mir die mal ansehen? Ich entstamme einer Kumpelfamilie, unser Familienname war unüblich, und soweit ich das Namensschild entziffern kann, könnte es sich um die Kiste eines Familienmitgliedes handeln“
Karin dachte an die Wandbilder und Kohlenreliefs ihrer Kindheit. Die schwarzen Flecken und das abgenutzte Arschleder, das ihr Vater den Kindern im Winter zum Rodeln überlassen hatte, die ganze Siedlung hatte sie und ihre Geschwister darum beneidet.
„Gezähekiste heißt das?“ schrieb Linda „Das wußte ich nicht. Sie war ein Geschenk zur Eröffnung unseres Katzencafés, aber meine Geschäftspartnerin findet sie schäbig“
Karin überlegte, was sie darauf antworten sollte. Sollte sie wirklich sagen, dass sie glaubte, die Kiste könnte ihrem verschütteten Onkel Jürgen gehört haben, würden die jungen Leute nicht denken das sei ein „Fake“? Aber dann schrieb sie doch:
„..ich würde die Kiste gern meinem Cousin Helmut, der nach Helmut Rahn benannt ist, schenken“
Café-Kater Kumpel sprang auf Lindas Schoss und wollte in ihren Latte Macchiato Löffel beißen. Sie wehrte ihn lachend ab, „kennst du Helmut Rahn, Kumpelchen?“ und mailte „klar, kommen Sie vorbei“
„Ich hab die Kiste vertickt“, hörte Karin schon von draußen als sie auf das Café zuging. Drinnen diskutierten zwei junge Frauen, als sie die Tür öffnete, sprang ihr eine Katze entgegen.
„Ich wusste doch nicht, dass du auch eine Interessentin hast… Da kommt gleich ein Mann.“
Eine der Frauen begrüßte Karin und führte sie zur Kiste, die nicht aussah wie auf dem Foto. Aber die Buchstaben, die waren gut zu sehen.
Dann ging die Tür auf. Karin drehte sich absichtlich nicht um.
„Tach! Helmut Majcrzak. Ich wollt die Kiste von mein‘ Vatter abholn.
Karin? Wat machsn du hier?“
ein paar Worte zu einigen Kohlenpottbegrifflichkeiten:
in der Gezähekiste (Gezähe = Werkzeug) befand sich alles, was ein Bergmann für seine Arbeit unter Tage benötigte, Schlägel und Eisen, Säge, Abbauhammer, Grubenbeil und vieles mehr. Sie diente auch als Sitzmöbel während der Pausen. Jeder Bergmann hatte seine eigene Gezähekiste.
das Arschleder zählte zur Bekleidung des Bergmannes. Es diente zum Schutz der Hosen vor Durchwetzen und vor Nässe. Das Arschleder kommt auch in einer Strophe des Steigerliedes (altes Bergmannslied, wird noch heute bei Veranstaltungen in allen Bergbauregionen, nicht nur im Ruhrgebiet, gesungen, war im letzten Jahr bei etlichen Veranstaltungen zum endgültigen Ende des Bergbaus im Ruhrgebiet zu hören, und ist Vereinshymne des FC Schalke 04) vor:
Wir Bergleut sein’s kreuzbrave Leut,
: denn wir tragen das Leder vor dem Arsch bei der Nacht :
: und saufen Schnaps :
Kumpel nannte man die Arbeiter, die direkt mit dem Abbau und der Förderung der Kohle beschäftigt waren. Kumpel ist auch ein Wort für Freund, guter Kamerad. (Oder für einen Kater 😉 ) In meiner Jugend in den Siebzigern und Achtzigern war das noch ein unter jungen Leuten gängiger Ausdruck, heute eher aus der Mode gekommen. Ob der Kumpel = Freund sich aus dem Kumpel = Bergmann entwickelt hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Man sagt aber, dass Kumpel wirklich Kumpel waren. Das ergab sich womöglich fast automatisch, die Männer waren bei ihrer gefährlichen Arbeit unbedingt aufeinander angewiesen
Helmut Rahn („Rahn müsste schiessen, und Rahn schiesst…..Deutschland ist Weltmeister!!!!!“) war ein berühmter Fussballer aus Essen, der 1954 das Siegtor zum Weltmeistertitel für Deutschland schoss.
Dies ist ein Text für das Projekt abc Etüden. Das Original, erfunden von Ludwig Zeidler, sah vor, eine shortest short story, bestehend aus höchstens zehn Sätzen zu basteln, in denen drei vorgegebene Wörter vorkommen müssen. Letztere Regel besteht nach wie vor, allerdings gilt seit kurzem nicht mehr die Zehn-Sätze Regel. Vielmehr gibt es nun eine 300 Wörter-Grenze.
Aber lest besser selbst bei Christiane nach, sie kümmert sich um alles Organisatorische, vielen lieben Dank 🙂 Wir anderen müssen nur noch schreiben, und zwar alle zwei Wochen mit neuen Wörtern, die aktuelle Wortspende kommt von Rina
Was für eine schöne Geschichte 🙂
LikeGefällt 1 Person
Danke schön 😀
LikeGefällt 1 Person
Schöne Vereinigung – sowohl der Schreiber als dann auch der Familienmitglieder.
Sehr gelungen.
LikeGefällt 1 Person
Vielen Dank, das freut uns 🙂
LikeLike
😀😀
LikeLike
Obwohl ich gebürtig aus dem Pott stamme, kannte ich nicht alle Begriffe.
Immer wieder: Bloggen bildet! 🙂
Herzlich,
Anna-Lena
LikeGefällt 1 Person
Absolut 🙂
LikeGefällt 1 Person
Darf ich das jetzt eigentlich liken obwohl ich meine Finger da drin hatte? 😉 Schön, dass es noch geworden ist bevor wir beide jeweils abwesend sind. Dir gute Zeit in Berlin!
LikeGefällt 1 Person
Darfst du, unbedingt sogar 😊
LikeGefällt 1 Person
Wie schön: wieder ein neues Genre! Nach dem Berlinerick von René und dem Seriorick-Versuch von mir jetzt die Co-op mit dem futuristischen Namen“E-two-de“. Bin begeistert!
LikeGefällt 4 Personen
Ach, schreiben müsste man können: Seniorick
LikeGefällt 2 Personen
Seriorick wäre noch ein neues Genre: Der Serien-Limerick 🙂
Danke dir, schöne Grüsse 🙂
LikeGefällt 1 Person
Guter Vorschlag!
LikeGefällt 1 Person
😂
LikeLike
E-two-den-Kooperationen kommen dank euch jetzt bestimmt voll in Mode! Sehr gelungen, sehr schöne Geschichte, und auch der versöhnliche Ausgang freut mich, dass sich da jetzt nicht zwei in die Haare geraten mussten. Nee, echt toll. Ich hoffe, ihr habt öfter Lust auf so etwas.
Liebe Grüße
Christiane
LikeGefällt 3 Personen
Ich bin deiner Meinung, das sollte ein Trend werden 🙂
Lieben Gruss 🙂
LikeGefällt 1 Person
Rein theoretisch ja, Christiane. Bettina hat sehr viele interessante Ideen gehabt, die auch alle machbar gewesen wäre, allerdings bräuchten wir da eine Sonderrunde mit 1.000 Wörter Mindestanzahl. Da waren so gute Sachen bei, die aber eher Novellentauglich gewesen wären und in 300-500 Wörter nicht passen.
LikeGefällt 2 Personen
Schön, vielleicht könnt ihr im Sommer zum Intermezzo was machen, falls es euch in den Kram passt? Da haben wir ja keine Begrenzung, was die Länge angeht.
(Hast du schon bei Natalie im Fundevogelnest vorbeigeschaut? Geht um deinen Museums-Text.)
LikeGefällt 2 Personen
Bei Natalie war ich jetzt gerade als deine Benachrichtigung reinkam.
Intermezzo ist potentiell machbar. käme aber auf die Wörter an. Bettina mag diesen Ruhrpott-Kontext und da geht eben nicht alles. Wir hatten bei dieser Geschichte schon hintenrum einen guten Austausch darüber, dass manche richtigen Bergmannskinder, so wie sie Karin gern haben wollte, einige Sachen, die für Nichtbegmannskinder normal sind gar nicht kennen. Es wäre im Intermezzo zum Beispiel unglaubwürdig, jemanden, der aufgewachsen ist wo meine Mutter herkommt – Zechensiedlung – unter die erste Welle Italienurlauber in den 60er/70ern zu schleusen, weil das in diesem Milieu einfach nicht so war. Das heißt, wenn wieder viele Urlaubswörter dabei sind, dann stünde man in dem Kontext schon vor einer Hürde. Als Beispiel. Außerdem wollten wir doch eventuell den Adventskalender.
LikeGefällt 1 Person
Bei vielen Sommerwörtern könnte der italienische Gastarbeiter, der in der Zeche malocht, in Heimweh schwelgen 😉
Aber es muss ja nicht zwingend immer ums Ruhrgebiet gehen. Allerdings finde ich das Thema wirklich spannend, hab ich jetzt bei den Recherchen wieder gemerkt 🙂
LikeLike
Um das richtig zu machen, müsstest du jemanden kennen, der dabei war. Die Italiener hatten Eiscafés und Pizzerien und waren selten Kumpel. Ja, ich weiß, dass du irgendwie italiensische Wurzeln hast und dass es deshalb interessant wäre, aber es wäre verglichen mit meinen rumänischen Wurzeln oder mit türkischen Kumpeln unrealistisch, weil Italiener einfach vergleichsweise selten Kumpel waren. Zumindest dann unrealistisch, wenn man einen Kumpel draus macht. Es kann natürlich Mario einen Eiswagen haben, den die Kinder lieben und die Zechenpapas reden über den „Ithaker“. Das kam in dem Stadtteil, in dem meine Mutter aufwuchs vor. Aber dann hättest du einen Rassismus-Plot und keinen Kumpel-Plot.
LikeLike
Da hat sich die Zusammenarbeit doch gelohnt, finde ich, so als Ruhrpottkind. 😉
LikeGefällt 2 Personen
Oh danke, das freut mich ja jetzt ganz besonders 🙂
LikeGefällt 1 Person
Manchmal ist es richtig schön wenn sich zwei zusammentun und dann solch ein Ergebnis dabei heraus kommt.
LikeGefällt 2 Personen
Ich meine nicht Helmut Majrzak, sondern nur Majrzak. Das mit dem Helmut habe ich schon verstanden 🙂
LikeGefällt 1 Person
Das ist der Name, der auf der Kiste steht 😊
LikeGefällt 1 Person
Ja schon, so begriffsstutzig bin ich nun auch wieder nicht 🙂 , aber ist das irgendjemand Bekannter, zB ein Gewerkschaftsführer oder so jemand ?
LikeGefällt 2 Personen
Ach so, sorry, jetzt bin ich wohl die Begriffsstutzige 😉nein, nein nichts von alledem. Nur ein seltener, im Ruhrgebiet aber vorkommender Familienname
LikeGefällt 1 Person
Jetzt kenn ich mich aus 🙂 Liebe Grüße
LikeGefällt 1 Person
Eine Menge gelernt, aber ich bin da immer so begriffstutzig, ist Helmut Majcrzak einfach der Name, der da draufsteht, oder hat der irgendeine Bedeutung, von der ich nix weiß ?
LikeGefällt 1 Person
„Aus! Aus! Aus! Das Spiel ist aus! Deutschland ist Weltmeister!“ 🙂
Eine sehr gelungene Kooperation. Wir könnten jetzt auf Twitter über den Text diskutieren. Quasi eine „E-two-de-batte“ führen. 🙂 Ich habe versucht, mir das billige Wortspiel zu verkneifen, es ging nicht, ich wäre geplatzt. 😉
LikeGefällt 3 Personen
Danke, da freue ich mich! 😊
Und habe vollstes Verständnis. Konnte mir die „E-two-de“ auch nicht verkneifen 😉
LikeGefällt 2 Personen