Wer hier schon den einen oder anderen Beitrag verfolgt hat, der weiss, dass ich noch einen Koffer in Berlin habe. Zu dem ich regelmässig zurück kehren muss wie ein Vampir in seinen Sarg.

Komischer Vergleich. Wie komme ich darauf? Vielleicht, weil an diesem Wochenende in dieser Stadt, in der ich noch einen Sarg, äh, einen Koffer habe, ein so dermassen deprimierendes Wetter vorherrscht, dass man sich auch gleich wie Dracula den ganzen Tag schlafen legen könnte. Es wird sowieso nicht hell hier, also.

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Als ich Donnerstag in Essen los fahre, hat es da 10 Grad und Sonnenschein. Die Vögelein zwitschern erste Frühlingslieder. Einige hundert Kilometer weiter östlich null Grad. Keine Sonne, aber es ist auch schon 17 Uhr, als ich ankomme. Die Sonne ist schon untergegangen, das kann man ihr nicht vorwerfen.

Dennoch muss ich unwillkürlich an Seeeds „Dickes B“ denken. Hier heisst es im Text „im Sommer tust du gut und im Winter tut’s weh“ 

Wenn ich in Berlin-Spandau anlande, gehe ich stets zunächst in die Spandau Arcaden. Hier pflege ich bei Wurst Haase einzukehren, dort gibt es immer lecker Eintopf, echt jetzt, wie bei Muttern. Solchermassen gestärkt gehe ich hinüber zu Butter Lindner. Kennt ihr Butter Lindner? Heisst heute nicht mehr Butter Lindner, sondern nur noch Lindner. Ist auch kein „Milch und Butter“-Geschäft mehr, sondern eine Feinkostkette. Gibt es nur in Berlin, Postdam und Hamburg. Kennengelernt habe ich Butter Lindner im Jahre 1986, das Jahr, in dem der Tschernobyl Unfall passierte. Ich absolvierte zu der Zeit ein Praktikum in einer Eltern Intitiativ Kita, wo man nach dem GAU beschloss, dass es nur noch Milchprodukte aus Dänemark geben durfte. Diese waren damals scheinbar nur bei Butter Lindner erhältlich. Irgendwann brachte eine Mutter ein paar Becher Vanille Quark mit. Für mich der Beginn einer grossen Liebe!

Okay, Vanille Quark kann man leicht selber machen. Jetzt macht keinen Stress, ich habe nun einmal eine Schwäche für Vanille Quark von Lindner.

Der muss also nach dem Genuss des Haase-Eintopfes gekauft werden. Meist nehme ich drei Becher mit, das reicht für 4 Tage Berlin.

Anschliessend in die S Bahn. Ach ja, die Berliner S Bahn. Sie fährt immer zuverlässig. Nur wann, weiss man nie so genau. Ich habe mal gelesen, dass die S Bahn in Berlin selbst in Kriegszeiten nie ausfiel, immer pünktlich war. Sie war ein Musterbeispiel, wie öffentlicher Nahverkehr funktionieren kann. Selbst in Kriegszeiten. Ach, das hab ich schon gesagt? Egal, ich finde das so bemerkenswert, das sag ich gerne zweimal!

Aber dann kam vor einigen Jahren das Schnee Chaos.  

Wisst ihr noch? Das müsst ihr doch noch wissen, hömma.

Da ging nix mehr mit der S Bahn. Wie meint ihr bitte? Früher hat es schliesslich im Winter auch geschneit? Jaaaaa, aber nicht so wie in dem Jahr des Schnee-S-Bahn-Chaos. Bestimmt nicht, neinneinnein. Dieses Schnee Chaos war so ungewöhnlich heftig, dass die S Bahn sich quasi nie davon erholt hat. Schnee Chaos ist seitdem immer. Auch im Sommer. Basta. Müssen wir mit leben. Aber Berliner sind ja Kummer gewohnt. Es wird gemeckert, was das Zeug hält, aber man lebt mit dem und gewöhnt sich an das Ganzjahres-Schnee-Chaos. Die Ringbahn, die immer, nicht nur während der Hauptverkehrszeit, im 5 Minuten Takt fuhr (im Ernst, das ist Nahverkehrs-Luxus pur, wenn ihr mich fragt), ist seit dem Schnee Chaos nur noch im 10 Minuten Takt unterwegs. Was ja auch eine akzeptable Frequenz ist, zugegeben. Aber dennoch ist es eigenartig, dass seit diesem schlimmen, furchtbaren, grauenvollen Schnee Chaos nichts mehr ist wie es mal war.

Aber im Grunde kann man sich gerade in Berlin über die öffentlichen Verkehrsmittel wirklich nicht beschweren. Ich habe schon seit vielen Jahren kein Auto mehr, und in Berlin braucht man auch keins, jedenfalls nicht, wenn man nicht aus dem Stadtgebiet raus muss.

Seit ich nicht mehr hier lebe, erkunde ich meine Stadt mit Bahn und Bus als Touristin. So beschliesse ich gestern, endlich auch einmal in den Berliner Dom zu gehen. Leider verwechsele ich im Geiste den Berliner Dom mit dem Deutschen Dom und fahre zum Gendarmenmarkt. Nun gut, in den sich dort befindlichen Dömen  (ist das die Mehrzahl von Dom? Oder sagt man Doms?) war ich ebenfalls noch nie, also entschliesse ich mich, zunächst den Französischen Dom zu besuchen. Ich schreite also auf diesen zu – und drehe direkt wieder ab, als ich sehe, wie ein Mann sich soeben anschickt, direkt vor dem Dom gegen denselben zu pinkeln. Okay, ich hätte warten können, bis er fertig ist, was ist schon dabei. Ich bin irgendwie schon etwas verweichlicht, habe ich das Gefühl. Sei’s drum, ich disponiere spontan um und gehe statt in den Französischen in den gegenüber liegenden Deutschen Dom. Das ist eine gute Entscheidung, hier gibt es nämlich eine sehr interessante ausführliche – noch dazu kostenlose! – Ausstellung über die Geschichte der deutschen Demokratie. Sie befindet sich auf mehreren Etagen, die über eine schwindelerregende Wendeltreppe zu erreich20170204_152600.jpgen sind – oder über einen Lift, den ich leider erst hinterher entdecke, typisch 😉

Ich bin heute gut bei Kräften, und schaffe daher die Treppen relativ locker, aber für’s nächste Mal – und für alle, die mit dem Rollstuhl hier her kommen – es existiert ein Lift und auf einer der diversen Etagen gibt es auch eine rollstuhlgerechte Toilette. Berlin – zumindest teilweise schon ganz schön barrierefrei 🙂

Morgen geht es wieder zurück ins Ruhrgebiet. Wo es auch eine Menge zu entdecken gibt. Auch öffentliche Verkehrsmittel hat es da natürlich – und eine S Bahn, die öfter mal Verspätung hat oder ausfällt. Da fühlt man sich doch als Berliner wirklich wie zu Hause 🙂

 

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