Weihnachten macht rührselig, sogar mich Weihnachtsmuffel. Obwohl das, worüber ich jetzt schreiben will, nicht wirklich mit Weihnachten zu tun hat, es fällt nur zufällig mit Weihnachten zusammen.

Und mit Rührseligkeit hat es – streng genommen – auch nichts zu tun.

Es hat mit Dankbarkeit zu tun.

Ich möchte heute meinem Körper meine Dankbarkeit aussprechen. Dafür  dass auf ihn auch unter widrigen Umständen Verlass ist. Manchmal wächst er sogar über sich hinaus. Dafür hat er mal ein Loblied verdient, das ich ihm heute singen möchte.

Ich erwähnte ja bereits in meinem letzten Beitrag, dass ich eine lahme Ente bin. Das liegt zwar oft einfach an Faulheit, aber eben nicht nur. Ich habe seit 15 Jahren Multiple Sklerose, eine Krankheit des Zentralen Nervensystems, welche die Betroffenen ganz unterschiedlich beutelt. Bei mir äussert sie sich u.a. darin, dass ich oft nicht imstande bin, längere Strecken ohne Pause zu gehen.

Ich empfand die erwähnte Dankbarkeit meinem Körper gegenüber zum ersten Mal vor 9 Jahren, als die MS sehr hart zugeschlagen hatte. Meine rechte Körperseite stellte durch einen schweren Schub ihren Dienst ein. In nur 6 Wochen aber hatte ich mich so weit erholt, dass ich wieder arbeiten konnte, nach weiteren acht Wochen etwa konnte ich mich wieder völlig normal bewegen. Mein Neurologe war baff, er hatte mich im Rollstuhl gesehen.

Damals hielt ich zum ersten Mal Zwiesprache mit meinem Körper und bedankte mich für seine Leistung. Er konnte ja nichts dafür, dass MS ihn und mich heimgesucht hatte, und tat dafür wirklich tapfer seinen Dienst. Ich danke es ihm im Gegenzug übrigens nicht mit besonders gesunder Ernährung oder Sport (mein Physiotherapeut quälte mich allerdings zweimal die Woche, und so gemein, wie er immer grinste, wenn er seine Kommandos gab, würde ich vermuten, dass das durchaus Sport war, was ich da tat)

Mein Körper, das Kampfschwein, verträgt alle Medikamente, die man in ihn wirft, ich habe keinerlei Allergien, keine Rücken- oder Knie- geschweige denn Magenprobleme.

Ende des letzten Jahres dann bekam ich Sehstörungen. Sie wurden auf die MS geschoben, ich bekam zunächst Kortison, als das nicht wirkte, verpasste man mir im Krankenhaus 5 Einheiten Plasmapherese. Zu diesem Zweck bekam ich eine Venenverweilkanüle in den Hals – ich kriege immer noch eine Gänsehaut, wenn ich daran denke. Das war einfach eklig, wer hat schon gerne was im Hals stecken.

20160113_122434.jpg

Aber Beschwerden machte das Ding eigentlich nicht. Ich – bzw mein Körper – ertrug das ohne Komplikationen (wenn man davon absieht, dass ich mir in der Klinik eine heftige Nebenhöhlenentzündung zuzog, trotz ständigen Hände waschens und – desinfizierens)

Die Sehstörungen waren letztlich auf eine Netzhautablösung zurück zu führen, welche aufgrund der Fehldiagnose viel zu spät behandelt wurde.

Aber mein Körper schaffte erneut das Wunder: Meine Sehkraft konnte zu 60 Prozent wieder hergestellt werden, was durchaus nicht die Regel ist bei einer so weit fortgeschrittenen Ablösung der Netzhaut. Wobei er das natürlich nicht alleine war, mein Körper, meine ich. Ich hatte auch das Glück, sehr gute Ärzte zu haben.

Dennoch, ich dachte auch da wieder „Mann, hast du wieder ein Glück gehabt, vielen Dank an meinen Körper bzw dessen Selbstheilungskräfte“.

Durch die OP entwickelte sich – sozusagen als Kollateralschaden – ein Grauer Star. Dieser wurde letzte Woche in einer Standard OP in Ordnung gebracht. Getrübte Linse raus, künstliche rein, fertig. OP wie immer gut verkraftet, schon am Folgetag keinerlei Beschwerden mehr, dafür 80 (in Buchstaben ACHTZIG!!!) Prozent Sehschärfe.

Auf Anhieb. Mein Augenarzt war verblüfft, das, meinte er, sei sehr ungewöhnlich. Bei ansonsten gesunden Augen, und erst recht bei Augen mit einer solchen Vorschädigung.

Okay, man weiss natürlich nicht, ob es so bleibt, man weiss auch nicht, ob sich vielleicht die Netzhaut wieder ablöst oder sonstige spätere Komplikationen auftreten.

Vielleicht ist es nur Weihnachtsrührseligkeit, egal – mir ist es in diesen Tagen ein Bedürfnis,  diesem Körper Danke zu sagen. Dafür dass er unter diesen erschwerten Bedingungen immer das Beste für mich raus holt

 

 

Werbung